Opfer oder täter?
Die Wurzel allen Übels. Die Frage der Schuld.
In den wenigen ruhigen Momenten, die ich gestern hatte, verschwamm die Grenze der Eigenverantwortung immer mehr.
Ein Mensch, der jemand anderen weh tut, macht das meist nicht aus Boshaftigkeit. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die wenigsten Menschen aus purer, purer Boshaftigkeit agieren.
Der Mensch, der dir Leid zu gefügt hat, hat auch irgendwann in seinem Leben Leid erfahren. Und so dreht sich das Rad der Verletzungen und Kränkungen. Wir alle sind Opfer. Die arme Menschheit. Ein Kollektiv der Missverstanden, der ungerecht Behandelten und der nicht Gesehenen.
Alle, die uns jemals weh getan haben, sind die Täter. Und, wenn wir verletzen, dann haben wir ja immer das praktische Argument der Opferrolle.
Hand aufs Herz, wer ohne Schuld bis dato gelebt hat, der oder die werfe jetzt bitte den ersten Stein oder hinterlässt ein Kommentar am Ende dieses Artikels.
Wenn wir unser Fehlverhalten damit rechtfertigen, dass uns auch Unrecht angetan wurde, dann haben wir nicht mal die Fähigkeit entwickelt über den eigenen Tellerrand der Sorgen, der Trauer, der Wut, des Hasses und der Kränkung hinweg zu sehen. Die dunklen Emotionen haben uns dann bereits so sehr im Griff, dass wir zu selbstgefälligen und egoistischen Opfern wurden.
Die Schatten werden länger, die Glaubensätze intensiver und irgendwann schwimmen wir im vermeintlich bequemen See des Selbstmitleids.
Es sind dann oft die engsten Angehörigen, die Kinder oder wenn man Glück hat, ein paar gute Freunde, die dir daraus helfen wollen.
Diese Personen übernehmen dann die Verantwortung, die du selbst eigentlich für dich – vielleicht schon sehr lange- hättest übernehmen sollen. Dein Unglück wird deren Unglück. Denn das mit den Grenzen ziehen, ist leicht gesagt, wenn man eine Person wirklich liebt. Man sieht niemand gerne leiden, schon gar nicht seine Liebsten. Es liegt in der Natur des Menschen, deren Herz im Licht der Sonne schlägt, zu helfen.
Hier nun ein wichtiges Learning für diejenigen unter euch, die bereit sind nicht länger ihren Schatten,- sondern ihren Lichtmensch zu leben:
Übernimm für dein Leben Verantwortung.
Und ich meine damit die 100% Variante. Die, in der du ALL IN gehst. Hör auf, den oder die andere:n irgendwie dafür verantwortlich zu machen, dass er oder sie dich unglücklich gemacht hat oder dich glücklich machen soll. Gib selber einfach 100%. Für dich. Für die anderen. Wenn du gekränkt bist, sprich es aus, sprich es an. Wenn du es lieber herunterschluckst, erwarte nicht die Absolution bis zu deinem Ableben das Opferrecht zu besitzen. In dem Moment, wo du aus deiner eigenen Verantwortung dir selbst gegenüber herausgegangen bist, wurdest du bereits zum Täter. Und rate einmal wem du weh getan hast? Ja genau, dir selbst. Du hast in diesem Moment deine eigene Kraft abgegeben. Du hast deine eigene Verantwortung nicht wahr genommen. Und so wächst ihn dir der Samen der Kränkung. Und vermutlich wird es nicht die letzte gewesen sein, die du kassieren wirst. Du hattest die Wahl anders zu reagieren. Auch beim zweiten, dritten und vierten Mal. Bei jedem verdammten Mal. Egal wie jung oder alt du bist. Du hättest lernen und dich weiter entwickeln können. Aber ohne dich zu versehen, ist dein Verhalten zu einer Gewohnheit geworden und irgendwann bist du fest davon überzeugt, dass die Welt böse ist. Und wenn dir dein Umfeld etwas entgegnet, dann wirst du sagen: „So bin ich halt.“ Oder du spielst die Alterskarte aus. „Alte Menschen ändern sich nicht mehr und jetzt ist es sowieso zu spät“, auch das könntest du sagen. Praktisch, oder?
Wenn dir an dir selbst etwas liegt und deinem Umfeld, dann hör auf stur und gekränkt zu sein. Was bringt dir dieser falsche Stolz?
Wenn du die Wut, die Trauer, die Angst und die Kränkung subtrahierst, und da Liebe über bleibt, dann weißt du, was zu tun ist.
Dann erkennst du zwei Personen, beide gegenseitig gekränkt und das vielleicht schon seit Jahren.
Und was wollen diese beiden Personen? Das, was wir alle wollen: geachtet und geliebt werden.
Vielleicht kann man nicht immer einer Meinung sein, aber man kann Achtung und Liebe geben, wo Kränkung herrscht. Man kann dem anderen so viel helfen, wenn man erkennt, dass auch das Gegenüber Kränkung erfahren musste.
Dann stehen hier am Schlachtfeld nämlich nicht mehr Opfer und Täter. Dann stehen hier zwei Opfer. Zwei Täter. Zwei verletzte Seelen. Zwei nach Liebe suchenden Menschen.